Inkontinenz: Arten und Behandlung

Urin und Stuhl bewusst zurückhalten und kontrolliert ausscheiden zu können ist ein hochkomplexer Vorgang. Die Faktoren sind fein aufeinander abgestimmte Zahnräder. Ist nur ein Zahnrad in diesem Prozess gestört, kann es zu entsprechenden Fehlern im Ablauf kommen, so dass Inkontinenz entsteht.

Ratgeber Inkontinenz: Arten und Behandlung

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Anja Lang Medizinjournalistin

Die Fähigkeit Urin und Stuhl für eine bestimmte Zeit bewusst zurückhalten und kontrolliert ausscheiden zu können ist ein hochkomplexer Vorgang, an dem eine Vielzahl an Muskeln, Nerven, Organen sowie das Gehirn beteiligt sind. Sämtliche beteiligte Faktoren sind - wie Zahnräder - fein aufeinander abgestimmt und reagieren äußerst sensibel. Ist auch nur ein Glied in dieser komplexen Kette gestört, kann es zu entsprechenden Fehlern im Ablauf kommen, so dass Inkontinenz entsteht.  

Was ist Inkontinenz?

Von einer Inkontinenz spricht man, wenn die Fähigkeit Körperausscheidungen der Harnblase und des Darms bewusst zurückhalten und diese kontrolliert abgeben zu können, gestört ist. In der Folge kommt es zu ungewolltem Harn- bzw. Stuhlverlust.

Wie fängt Inkontinenz an?

Eine Inkontinenz kann plötzlich auftreten, z.B. durch eine Nervenschädigung nach einer Operation oder Verletzungen nach einer schweren Geburt. Sie kann sich aber auch allmählich entwickeln, etwa als Folge von deutlich ansteigendem Körpergewicht oder als Nebenwirkung einer bestehenden Krankheit, wie Diabetes, Parkinson, etc.. 

Arten von Inkontinenz

Es gibt viele unterschiedliche Arten von Inkontinenz. Je nachdem, ob die Harnblase oder der Darm betroffen ist und welche Ursachen bzw. Symptome jeweils vorliegen, werden verschiedene Inkontinenzformen unterschieden.

Harninkontinenz

Wenn Blaseninhalt unfreiwillig abgeht, spricht man von einer Harninkontinenz. Umgangssprachlich wird diese Form der Inkontinenz auch Blasenschwäche genannt. Je nachdem in welchem Zusammenhang die Blasenschwäche auftritt und welche Ursachen vorliegen, wird die Harninkontinenz noch genauer in weitere Unterarten unterschieden.

Stressinkontinenz /Belastungsinkontinenz

Eine Stressinkontinenz oder Belastungsinkontinenz (Verlinkung auf Artikel Belastungsinkontinenz) liegt vor, wenn es bei physikalischem Druck auf den Unterbauch zum ungewollten Harnverlust kommt. Husten, Niesen, Lachen, aber auch schweres Heben, Treppensteigen oder sogar Aufstehen, können bei dieser Form der Inkontinenz zum unwillkürlichen Abgang von Urin führen. Ein Harndrang besteht im Vorfeld meist nicht. Die Belastungsinkontinenz zählt zu den besonders häufigen Inkontinenzformen. Frauen sind aufgrund ihrer Anatomie von einer Stressinkontinenz deutlich häufiger betroffen als Männer. 

Dranginkontinenz / Urgeinkontinenz

Die Dranginkontinenz, fachsprachlich auch Urge Inkontinenz, genannt, beschreibt einen plötzlich einsetzenden sehr starken Harndrang, der willentlich nicht kontrolliert werden kann und zum akuten Urinverlust führt. Die Urgeinkontinenz wird auch als „schwache Blase“ bezeichnet, da Betroffene quasi von jetzt auf gleich zur Toilette müssen und den Urin dann oft nicht lange genug anhalten können, bis sie dort angelangt sind. Die Drang- oder Urge inkontinenz zählt zu den häufigen Inkontinenzformen, von der sowohl Männer als auch Frauen betroffen sind. Sie geht oft mit einer sogenannten Reizblase, auch überaktive Blase genannt, einher, die aber selbst nicht zum Harnverlust führt. Je nach Ursache werden insgesamt drei Formen der Dranginkontinenz unterschieden:

  • Motorische Dranginkontinenz: Die überaktive Blase
    Bei einer motorischen Dranginkontinenz liegt als Ursache eine Störung des Blasenmuskels vor.
  • Sensorische Dranginkontinenz: Die übersensible Blase
    Bei einer sensorischen Dranginkontinenz ist die Ursache eine fehlerhafte Informationsweiterleitung der Nervenenden in der Blasenwand an das Gehirn.
  • Idiopathische Dranginkontinenz
    Lässt sich die genaue Ursache für die Dranginkontinenz nicht ermitteln, spricht der Arzt von einer idiopathischen (aus dem Griechischen übersetzt „ohne bekannte Ursache“) Dranginkontinenz.

Überlaufinkontinenz

Die Überlaufinkontinenz gehört zu den eher seltenen Inkontinenzformen. Dabei handelt es sich um eine Blasenfunktionsstörung bei der die Harnblase nicht mehr vollständig und kontrolliert entleert werden kann. Weil ständig Restharn verbleibt, erhöht sich der Blasendruck, so dass der Körper diesen Druck unwillkürlich ausgleicht. Das führt dazu, dass Urin - ohne, dass Betroffene das willentlich beeinflussen können –in kleinen Mengen einfach ausläuft. Männer sind aufgrund ihrer Anatomie von einer Überlaufinkontinenz häufiger betroffen als Frauen. Je nach Ursache der Erkrankung, werden zwei Formen unterschieden.

  • Die obstruktive Überlaufinkontinenz
    Hier ist die Harnröhre durch ein mechanisches Hindernis, bei Männern häufig durch eine gutartig vergrößerte Prostata, bei Frauen z.B. durch eine Gebärmutter- oder Scheidensenkung oder bei beiden Geschlechtern auch durch einen Bandscheibenvorfall, bösartigen Tumor, etc. verengt oder gar verstellt.
  • Die funktionelle Überlaufinkontinenz
    Hier liegt eine zu schwache Blasenmuskulatur vor, die sich nicht mehr kräftig genug zusammenziehen kann, um sich vollständig zu entleeren. Sie kann infolge einer Nervenschädigung nach einer Operation oder Krankheit oder auch die Einnahme bestimmter Medikamente auftreten.

Stuhlinkontinenz

Wenn Darminhalt, wie Stuhl oder auch Winde, ungewollt entweichen, spricht man von einer Stuhlinkontinenz oder auch Darminkontinenz.

Ursachen von Inkontinenz

Es gibt sehr viele verschiedene Ursachen, die zu einer Inkontinenz führen können, dazu zählen unter anderem:

  • Schwangerschaften
  • Geburten
  • Hormonschwankungen (Wechseljahre)
  • gutartige Prostatavergrößerungen
  • Prostataoperationen
  • neurologische Grunderkrankungen (Multiple Sklerose, Parkinson)
  • Nervenverletzungen
  • starkes Übergewicht
  • chronischer Husten
  • unerwünschte Nebenwirkung von Medikamenten
  • etc.

Inkontinenz nach einer Geburt

Eine besonders häufige Ursache für Inkontinenz bei Frauen ist eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur. Eine Schwangerschaft, vor allem aber eine vaginale Geburt – wenn das Baby durch den engen Geburtskanal gepresst wird – stellen eine extreme Belastung für den weiblichen Beckenboden dar. Hier kann es zu Überdehnungen oder gar Verletzungen kommen, die die Stützfunktion beeinträchtigen, was sich wiederum negativ auf die Schließfunktion der Blase auswirkt. Je nachdem wie stark der Beckenboden traumatisiert wurde, ist dann eine vorübergehende oder auch länger anhaltende Belastungsinkontinenz die Folge.

Inkontinenz nach einer Prostata OP

Eine häufige Ursache für eine Inkontinenz bei Männern ist eine Prostata-OP. Wenn die Prostata chirurgisch entfernt werden muss, müssen– aufgrund der anatomischen Lage der Prostata – in der Regel meist zwangsläufig auch Teile der Harnröhre und des Blasenschließmuskels mitentfernt werden. Das beeinträchtigt die Schließfunktion der Blase und führt direkt nach der Operation bei den meisten Männern zu einer vorübergehenden Belastungsinkontinenz. Mit entsprechender Therapie kann diese aber oft gut behandelt werden.

Was kann man gegen Inkontinenz tun?

Viele Menschen, die an einer Inkontinenz leiden, schämen sich für ihr Leiden, verstecken es und versuchen selbst damit irgendwie zurecht zu kommen. Oft vertrauen sich nicht mal einem Arzt an. Dabei handelt es sich bei einer Inkontinenz um eine weit verbreitete Krankheit, die in vielen Fällen heilbar oder zumindest gut behandelbar ist.

Inkontinenz behandeln

Um eine Inkontinenz fachgerecht therapieren zu können, ist es wichtig die genauen Ursachen der Erkrankung ausfindig zu machen. Das kann nur ein Arzt oder eine Ärztin feststellen. Deshalb ist es wichtig, dass Betroffene den Hausarzt oder die Hausärztin aufsuchen. Alternativ ist auch der Facharzt bzw. die Fachärztin für Urologie oder auch der Frauenarzt bzw. die Frauenärztin zuständig. In einem Anamnesegespräch sowie einer anschließenden körperlichen Untersuchung, macht sich der Arzt oder Ärztin dann ein genaues Bild über die Erkrankung und bespricht mit Ihnen die entsprechenden Therapiemaßnahmen. Je nach Ursache und Inkontinenzform kommen folgende Möglichkeiten der Behandlung:

  • Beckenbodentraining
  • Elektrotherapie
  • Hormonbehandlungen
  • Medikamente
  • Chirurgische Maßnahmen
  • Hilfsmittel zur Inkontinenzversorgung

Inkontinenz vorbeugen

Bestimmte Verhaltensweisen helfen dabei einer Inkontinenz vorzubeugen. Was Sie selbst tun können, um die Blase zu stärken und einer möglichen Inkontinenz vorzubeugen:

  • Beckenbodenübungen in den Alltag integrieren
  • Übergewicht vermeiden bzw. abbauen
  • Gesunde Ernährung mit viel Ballaststoffen
  • Ausreichend viel Wasser trinken
  • Blasen und Darm reizende Lebensmittel (z.B. Kaffee, scharfe Gewürze, Kohlensäure, etc.) meiden
  • Regelmäßige Bewegung
  • Blasen- und Toilettentraining
  • Rauchen aufgeben, um chronischen Husten zu vermeiden
  • Entspannungsübungen (z.B. Yoga, autogenes Training), um Stress abzubauen.

Häufige Fragen zum Thema Inkontinenz

Folgende Fragen tauchen im Zusammenhang mit Inkontinenz häufig auf. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wann ist man inkontinent?

Jede Form und Menge von unkontrolliertem Urin- bzw. Stuhlabgang gilt als Inkontinenz. Das heißt, dass ein Mensch inkontinent ist, sobald er auch nur ein Tröpfchen Urin oder eine winzige Menge Stuhl ungewollt verliert.

Was sind Inkontinenz-Symptome?

  • Wenn Urin oder Stuhl ungewollt abgehen, entstehen meist Flecken und unangenehme Gerüche in der Unterwäsche oder auch auf Sitzflächen. In der Folge muss die Kleidung häufiger gewechselt werden und Sitzkissen, etc. gereinigt werden.
  • Frauen nutzen auf einmal wieder Monatsbinden, obwohl sie längst keine Periode mehr haben.
  • Viele Betroffene trinken auch auffallend wenig. Menschen mit unbehandelter Inkontinenz ziehen sich außerdem häufig sozial zurück und verlassen ihr Zuhause nur noch für kurze Zeit und, wenn sie wissen, dass eine Toilette in der Nähe ist.

Welche Hausmittel helfen bei Inkontinenz?

Es gibt eine ganze Reihe an Hausmitteln, die helfen können, eine Inkontinenz positiv zu beeinflussen. Je nach Inkontinenzform können folgende Behandlungen Linderung bringen:

  • Unterleib und Füße stets warmhalten
  • Entspannungstraining gegen Stress
  • Heilpflanzen, die positiv auf den Urogenitaltrakt wirken, wie Goldrute, Propolis, Kürbiskerne, etc.
  • Nieren- und Blasentees, wie Brennnessel, Birkenblätter, etc.
  • Homöopathische Arzneimittel
  • Regelmäßige Toilettengänge
  • Blasentraining, usw.

Kann Inkontinenz geheilt werden?

Inkontinenz ist in vielen Fällen heilbar oder zumindest gut behandelbar. Wichtig ist es die genauen Ursachen ausfindig zu machen und sie mit entsprechenden Behandlungen ausschalten bzw. lindern zu können. Darüber hinaus helfen moderne und diskrete Inkontinenzprodukte den Alltag zu erleichtern und sich auch wieder sorgenfrei in Gesellschaft bewegen zu können.