Reflexinkontinenz verstehen: Formen, Ursachen und Behandlung

Reflexinkontinenz wird auch als neurogene Harninkontinenz bezeichnet und gehört zu den selteneren Formen. Welche Ursachen die Reflexinkontinenz hat und wie Sie diese behandeln können, erfahren Sie hier.

Ratgeber Reflexinkontinenz verstehen: Formen, Ursachen und Behandlung

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Anja Lang Medizinjournalistin

Die Reflexinkontinenz ist ein Sammelbegriff für eine vergleichsweise seltene Form der Harninkontinenz. Sie wird auch als neurogene Harninkontinenz, neurogene Inkontinenz bzw. als neurogene Blasenschwäche bezeichnet.

Was ist Reflexinkontinenz oder neurogene Inkontinenz 

 „Neurogen“ bedeutet übersetzt so viel, wie „durch das Nervensystem bedingt“. Das beschreibt schon relativ gut, worum es bei der Reflexinkontinenz geht. So lautet die Definition der Reflexinkontinenz, dass es sich dabei um eine Harninkontinenz handelt, bei der die Nervenbahnen im Rückenmark, die die Blase mit dem Gehirn verbinden bzw. die Nervenregionen im Gehirn, die die Blasen- und Schließmuskelfunktion steuern, unterbrochen oder in ihrer Funktion gestört sind. Dadurch kommt es zu einer Reihe von Problemen bei der Blasenspeicherung sowie bei der Blasenentleerung, die nur noch unbewusst und unkontrolliert als Reflex abläuft.

Was ist eine Reflexblase?

Als Reflexblase oder auch neurogene Blase wird eine, im Rahmen der Reflexinkontinenz funktionsgestörte, Harnblase beschrieben.

Symptome der Reflexinkontinenz

Typisches Symptom ist der umfassende Kontrollverlust über die Blasenfunktionen, was sich in Form der sogenannten „schlaffen Blase“ bzw. auch „spastischen Blase“ zeigt.

  • Bei der schlaffen Blase zieht sich der Blasenmuskel aufgrund der Nervenschädigung nicht mehr zusammen. Die Harnblase läuft somit, meist ohne, dass Betroffene das spüren können, komplett voll und entleert sich ab einem bestimmten Blasendruck ohne Vorwarnung über einen Reflex. In der Folge leiden Patienten an unwillkürlichem Urinverlust sowie Harnträufeln und zeigen dabei Symptome der Überlaufinkontinenz.
  • Bei der spastischen Blase kommt es aufgrund der Hirn- bzw. Rückenmarkschädigung zu übermäßig häufigen unwillkürlichen und unkontrollierten reflexartigen Kontraktionen des Blasenschließmuskels. Betroffene verspüren dadurch einen häufigen, imperativen Harndrang und die Harnblase entleert sich unkontrolliert, obwohl sie eigentlich noch fast leer ist. Die Symptome ähneln denen der Dranginkontinenz.
  • Außerdem können Koordinationsstörungen bei der An und Entspannung des äußeren Blasenschließmuskels auftreten – fachsprachlich auch Detrusor-Sphinkter-Dyssynergien genannt. Dadurch kommt zu Entleerungsstörungen mit Harnverhalt sowie einem Druckanstieg in der Blase, was zu einem gefährlichen Rückstau von Urin in die oberen Harnwege führen kann.

Ursachen einer Reflexinkontinenz

Die Ursachen können angeboren sein, wie z.B. bei einer Spina bifida. Dabei handelt es sich um eine seltene angeborene Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks, die sich während der Schwangerschaft entwickelt und die auch als „offener Rücken“ bezeichnet wird. 

Was kann eine Reflexinkontinenz noch auslösen? 

Weitere Ursachen sind: 

  • Querschnittslähmungen
  • Nervenverletzungen infolge eines Unfalls oder einer Operation
  • Schwerwiegender Bandscheibenvorfall 

Außerdem können auch bestimmte Grunderkrankungen zu einer Reflexinkontinenz führen, wie etwa: 

  • Krebserkrankungen und Tumore
  • Degenerative Hirnleistungsstörungen, wie Demenzen, Morbus Parkinson, etc.
  • Neurologische Erkrankungen, wie Multiple Sklerose
  • Periphere Neuropathien, infolge von Schlaganfall, Hirnblutungen, Schädel-Hirn-Trauma, Diabetes, etc. 

Formen der Reflexinkontinenz

Entsprechend den Ursachen wird die Reflexinkontinenz in verschiedene Formen eingeteilt:

  • Spinale Reflexinkontinenz 

    Von einer spinalen Reflexinkontinenz spricht man, wenn die Ursache der neurogenen Inkontinenz vom Rückenmark ausgeht und die Verbindung der Nerven zum Gehirn unterbrochen ist. Das ist unter anderem bei Multiple Sklerose, einer kompletten Querschnittslähmung oder auch bei einem schweren Bandscheibenvorfall möglich. Betroffene können dann in der Regel weder den Füllstand ihrer Blase spüren, noch den Blasenmuskel willentlich kontrollieren. Um die Blase vor dem Platzen zu schützen, setzt ab einem bestimmten Füllstand und Blasendruck ein Schutzreflex ein, der – ohne Beteiligung des Gehirns stattfindet -  und der dafür sorgt, dass sich die Blase automatisch entleert.

  • Supraspinale Reflexinkontinenz
    Die supraspinale Reflexinkontinenz entsteht in Folge einer Hirnleistungsstörung, wie das etwa bei fortgeschrittenen Demenzerkrankungen oder Morbus Parkinson der Fall ist. Informationen aus der Blase kommen hier zwar im Gehirn an, werden dort aber nicht mehr richtig verarbeitet. Das führt dazu, dass die Antwort das Gehirns auf die Signale Blase verspätet auftreten, falsch oder auch nicht beantwortet werden. In der Folge kommt zu unwillkürlichen und unkontrollierten Blasenentleerungen zu unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlichen Harnmengen. Zusätzlich treten oft weitere neurologische Ausfälle auf.

Was ist neurogene Blasenentleerungsstörung?

Die neurogene Blasenentleerungsstörung ist ein weiterer synonymer Begriff für das Phänomen der Reflexinkontinenz.

Was ist eine neurogene Inkontinenz?

Auch der Begriff neurogene Inkontinenz wird analog zur Bezeichnung Reflexinkontinenz bzw. neurogene Blasenentleerungsstörung verwendet.

Reflexinkontinenz Risikofaktoren

Die Reflexinkontinenz ist nicht nur äußerst belastend, sondern stellt auch eine große Gefahr für die Nieren da:

  • Denn zum einen bleibt bei der reflexartigen Entleerung der Blase unbehandelt fast immer Restharn zurück. Das birgt ein Risiko für Infektionen.  
  • Zum anderen kann sich der Urin bei Patienten mit neurogener Blase - ähnlich, wie bei der Überlaufinkontinenz - in die Nieren aufstauen und zu einem Nierenstau führen. Unbehandelt kann es dadurch zu Nierenschäden bis hin zum Nierenversagen kommen.

Behandlung und Therapie der Reflexinkontinenz

Im Vordergrund der Behandlung und Therapie einer Reflexinkontinenz steht deshalb immer der Schutz der Nieren.  

Was tun bei Reflexinkontinenz?

Anders als bei der Belastungsinkontinenz, bei der der Blasenschließmuskel geschwächt ist, ist die Harnblase bei einer Reflexinkontinenz in der Regel organisch intakt. Aufgrund der unterbrochenen Kommunikation zwischen Blase und Gehirn, ist jedoch keine willentliche Steuerung des Blasenorgans mehr möglich. Die sogenannte Reflexblase oder neurogene Blase muss deshalb in regelmäßigen Abständen von außen über einen Katheter vollständig entleert werden.

Reflexinkontinenz pflegerische Maßnahmen

Je nachdem, welche Grunderkrankung für die Reflexinkontinenz verantwortlich ist und welche Fähigkeiten noch vorhanden sind, können Betroffene die regelmäßige und vollständige Entleerung der Harnblase über einen Katheter selbst vornehmen. Wenn Patienten dazu nicht in der Lage sind, gehört es zu den besonders wichtigen pflegerischen Maßnahmen regelmäßige Katheterisierungen der Harnblase ca. alle drei bis vier Stunden mit Einmalkathetern durchzuführen. In manchen Fällen kann es auch Sinn machen einen Dauerkatheter zu legen, um die Blase zuverlässig zu entleeren und damit einer potentiellen Schädigung der Nieren vorzubeugen. 

Reflexinkontinenz Behandlung

Die Behandlung der Inkontinenz selbst steht bei der Therapie der Reflexinkontinenz erst an zweiter Stelle. Je nach Krankheitsbild können, immer zusätzlich zur regelmäßigen Katheterisierung, noch folgende Maßnahmen zur Verbesserung der Kontinenz eingesetzt werden:

  • Elektrostimulation
  • Einsatz von Medikamenten, z-B. Botoxinjektion
  • Einsetzen eines Blasenschrittmachers
  • Verwendung von Inkontinenzprodukten