Inkontinenz vor und nach der Geburt

Inkontinenz während der Schwangerschaft und vor allem nach der Geburt eines Kindes sind keine Seltenheit. Was die Ursachen sind und was für Behandlungsmöglichkeiten es gibt, erfahren Sie hier.

Ratgeber Inkontinenz vor und nach der Geburt

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Anja Lang Medizinjournalistin

Inkontinenz während der Schwangerschaft und vor allem nach der Geburt eines Kindes sind keine Seltenheit. Auch, wenn nur wenige Frauen offen darüber sprechen, sind mehr als 20 Prozent aller Mütter, zumindest in den ersten Wochen nach einer vaginalen Geburt, von einer Harninkontinenz und einige wenige auch noch von einer Stuhlinkontinenz betroffen.

Ursachen für Blasenschwäche nach der Geburt

Schwangerschaft und Geburt stellen für den weiblichen Körper eine enorme Belastung dar. Insbesondere der Beckenboden wird dabei sehr stark in Anspruch genommen. Die Beckenbodenmuskulatur ist eine Muskelplatte im kleinen Becken, die dafür sorgt, dass die Bauchorgane – wie etwa auch die Blase - nach unten abgestützt sind und so in der richtigen Position gehalten werden. Während der Geburt aber, wenn das Köpfchen des Babys durch den Beckenboden nach außen dringt, wird die Beckenbodenmuskulatur stark überdehnt und oft auch verletzt. Das verursacht eine Beckenbodenschwäche, wodurch auch die darüberliegenden Organe mit absinken. Liegt u.a. die Blase dann nicht mehr in ihrer vorgesehen Position, wirkt sich das auch ungünstig auf die Schließkraft des Blasen-Schließmuskels aus.

Wie merkt man Inkontinenz nach Geburt?  

Viele Frauen merken das daran, dass sie direkt nach der Geburt und im Wochenbett den Urin nicht mehr zuverlässig halten können. Insbesondere beim Husten, Lachen, Niesen, etc., also immer, wenn Druck im Unterbauch entsteht, gibt der Schließmuskel leicht nach, so, dass es zum unfreiwilligen Harnverlust kommt. Diese Art der Blasenschwäche nach der Geburt wird auch als Belastungsinkontinenz bezeichnet.

Welche Inkontinenz nach Geburt?  

Die Belastungsinkontinenz oder auch Stressinkontinenz ist die häufigste Inkontinenzform, die nach einer vaginalen Geburt auftreten kann. Bei schweren Geburten mit Geburtsverletzungen kann es aber auch zu einer Stuhlinkontinenz kommen. Bei einer Geburt durch Kaiserschnitt treten Inkontinenzprobleme deutlich seltener auf. Das Kind wird hier durch eine Operation über die Bauchdecke geboren und der Beckenboden damit umgangen Durch die Belastung des Beckenbodens während der Schwangerschaft, kann es aber auch nach einer Geburt durch Kaiserschnitt zu einer Inkontinenz kommen.

Wie lange nach Geburt inkontinent?

Eine vorübergehende Blasenschwäche in den ersten Wochen nach einer vaginalen Geburt ist sehr häufig. Oft erholt sich der Beckenboden nach wenigen Monaten aber wieder. Dazu sollte nach dem Wochenbett eine Rückbildungsgymnastik durchführt werden. Dabei handelt es sich um eine spezielle Gymnastik nach der Geburt, bei der der Beckenboden, unter fachlicher Anleitung, mit gezielten Übungen trainiert und gekräftigt wird.  

Ursachen für Stuhlinkontinenz nach der Geburt  

Neben einer Harninkontinenz, kann es nach einer Geburt auch zu einer leichten Stuhlinkontinenz kommen. Dabei können vorübergehend ungewolltes Entweichen von Winden sowie gelegentliches Stuhlschmieren auftreten. Schwere und dauerhafte Formen von Stuhlinkontinenz mit ungewolltem Stuhlangang sind dagegen sehr selten. Ursache hierfür können massive Geburtsverletzungen infolge von schweren vaginalen Geburten mit hohem Geburtsgewicht des Kindes und langer Austreibungsphase sein. Dadurch kann es zu Beckenbodenverletzungen sowie Dammrissen kommen. So bezeichnet man Gewebeeinrisse im Bereich zwischen Scheide und Anus. Je nach Ausmaß wird ein Dammriss in unterschiedliche Grade eingeteilt. Im schlimmsten Fall kann der Riss von der Scheide bis zum Anus reichen und den äußeren sowie den inneren Schließmuskel verletzen. Diese Verletzungen können dazu führen, dass die betroffene Frau nach der Geburt längerfristig sowohl harn- als auch Stuhl inkontinent ist.

Wie lange Probleme mit Beckenboden nach Geburt?  

Viele Frauen leiden nach der Geburt vorübergehend an einer leichten Inkontinenz. Bei den meisten erholt sich der Beckenboden aber in ersten Wochen nach der Geburt wieder. Etwa drei Monate nach der Geburt erlangen die meisten Frauen die Kontrolle über ihre Blasenfunktion wieder zurück. Es gibt aber auch Fälle, insbesondere, wenn auch Nerven verletzt wurden, bei denen die Inkontinenz nach der Geburt 1 Jahr, 2 Jahre oder auch viele Jahre bestehen bleibt.  

Wie lange kann man nach der Geburt inkontinent sein?  

Wie lange eine Frau nach einer Geburt inkontinent ist, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Mögliche Risikofaktoren für eine länger andauernde Inkontinenz nach Schwangerschaft und Geburt sind.:

  • Eine bereits vor der Schwangerschaft bestehende Beckenbodenschwäche
  • Ein hohes Geburtsgewicht des Kindes
  • Mehrere vorangegangene vaginale Geburten
  • Schwere Geburt, z.B. Zangen-, Saugglockengeburt
  • Eine lange Austreibungsphase (eine Stunde und länger)
  • Höheres Alter der Mutter (über 35 Jahre)
  • Übergewicht vor und während der Schwangerschaft
  • Starke Gewichtszunahme während der Schwangerschaft
  • Schwangerschaftsdiabetes  

Was tun gegen Inkontinenz nach der Geburt?

Viele Frauen schämen sich für eine Inkontinenz nach der Geburt und sprechen das Thema deshalb nicht an. Das ist aber fatal, denn es gibt eine Reihe an guten Behandlungsmöglichkeiten. Deshalb ist es wichtig sich so schnell wie möglich einem Frauenarzt bzw. einer Frauenärztin oder auch einer Hebamme anzuvertrauen. Sie kennen das Problem und können in einer ausführlichen Anamnese sowie körperlichen Untersuchung die genauen Ursachen der Inkontinenz ausfindig machen und dann einen entsprechenden Behandlungsplan aufstellen.  

Behandlung

Die Behandlung einer Inkontinenz nach der Geburt eines Kindes ist vergleichbar mit der Therapie einer Inkontinenz aus anderen Gründen. In den meisten Fällen liegt nach der Geburt eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Belastungsinkontinenz vor, die infolge eines geschwächten Beckenbodens auftritt. Das A und O zur Behandlung eines geschwächten Beckenbodens ist das Beckenbodentraining. Ziel des Beckenbodentrainings ist es die geschwächte Beckenbodenmuskulatur wieder zu kräftigen. Meist bessert sich dann auch die Belastungsinkontinenz wieder bzw. sie verschwindet ganz.

Übungen  

Beim Beckenbodentraining handelt es sich um eine Gruppe von speziellen Übungen, die in der Regel unter Anleitung einer Hebamme bzw. Physiotherapeuten bzw. Physiotherapeutin erlernt und weiter geübt werden. Diese Übungen sollten möglichst bereits in der Schwangerschaft durchgeführt werden. Noch besser ist es die Beckenbodenmuskulatur bereits vor einer geplanten Schwangerschaft regelmäßig zu praktizieren. Denn je kräftiger und straffer der Beckenboden ist, desto besser verkraftet er die Belastungen durch Schwangerschaft und Geburt. Einer möglichen Inkontinenz im Anschluss, kann damit bis zu einem gewissen Grad vorgebeugt werden.

Wie wichtig ist Beckenbodentraining nach Geburt?  

Wenn jedoch weder im Vorfeld noch während der Schwangerschaft Beckenbodentraining durchgeführt wurde, sollte die junge Mutter spätestens nach der Geburt damit beginnen. Denn die Austreibungsphase während einer natürlichen Geburt strapaziert den Beckenboden nochmal besonders stark. In der Folge tritt nach der Geburt sehr häufig eine Beckenbodenschwäche – verbunden mit einer Harninkontinenz auf - die ohne Therapie nicht selten dauerhaft bestehen bleibt. Um das zu verhindern, sollte nach der Geburt immer eine gezielte Rückbildungs- bzw. Beckenbodengymnastik durchgeführt werden. Allerdings sollte mit den Übungen auch nicht zu früh begonnen werden. Denn direkt nach Geburt braucht der Körper noch etwas Zeit, um sich von den Strapazen und möglichen Verletzungen der Geburt erholen zu können. Der optimale Zeitpunkt für den Start der Rückbildungsgymnastik liegt nach dem Wochenbett, also frühestens rund sechs Wochen nach der Geburt. Auch Sport, wie Fitnesstraining oder gar Joggen, sollten in den ersten Wochen nach einer Geburt noch unterbleiben, da sie die Beschwerden eher verstärken. Meist ist das Gewebe zu diesem Zeitpunkt noch sehr geschwächt, so dass es beim Laufen, Gewichtheben oder gar Springen sehr schnell zu Inkontinenz mit ungewolltem Harnverlust kommen kann. Erst, wenn der Beckenboden mithilfe von Beckenbodentraining wieder soweit stabil ist, kann vorsichtig mit beckenbodenschonenden Sportarten, wie Schwimmen, Radfahren, etc. begonnen werden.

Inkontinenz in der Schwangerschaft  

Eine Blasenschwäche bei Frauen ist nicht nur nach der Geburt besonders häufig. Oft kommt es auch schon während Schwangerschaft zu leichten Formen von ungewolltem Harnverlust.

Ursachen für Blasenschwäche in der Schwangerschaft  

Ursache von Blasenschwäche in der Schwangerschaft ist zum einen die veränderte Hormonlage. Vorbereitend auf die Geburt sorgen die Schwangerschaftshormone dafür, dass das Gewebe sowie Sehnen und Bänder vorübergehend weicher und lockerer werden. Davon ist auch der Beckenboden betroffen, der damit schwächer wird und eher nachgibt. Außerdem sind in der Schwangerschaft die Nieren besser durchblutet und produzieren mehr Urin. Schwangere müssen deshalb oft schon zu Beginn der Schwangerschaft deutlich häufiger auf die Toilette. Eine weitere Ursache für Blasenschwäche in der Schwangerschaft sind die starken körperlichen Veränderungen. Die Gebärmutter und das Gewicht des Kindes wachsen mit zunehmender Schwangerschaft stark an und drücken auf die darunterliegende Blase, die dann vor allem bei leichten Belastungen im Bauchraum oft nicht mehr standhalten kann.

Unterschied: Schwangerschaft Inkontinenz oder Fruchtwasser

Wenn der Slip plötzlich nass wird, machen sich viele Schwangere Sorgen, dass vielleicht die Fruchtblase geplatzt sein könnte und Fruchtwasser austritt. Um sicher unterscheiden zu können, ob es sich bei der ausgetretenen Flüssigkeit tatsächlich um Fruchtwasser handelt oder nur um Urin, lässt sich auf folgende Weise gut festzustellen:

  • Urin hat einen sehr typischen eher stechenden Geruch, Fruchtwasser riecht dagegen eher süßlich
  • Urin hat eine leicht gelbliche Farbe, Fruchtwasser ist stattdessen leicht rosa gefärbt.
  • Fruchtwasser geht völlig unkontrolliert ab und lässt sich auch durch Anspannen des Beckenbodens nicht stoppen. Urin lässt sich in der Regel durch Anspannen des Beckenbodens anhalten oder zumindest bremsen.  

Beckenboden in der Schwangerschaft trainieren  

Um Beschwerden von Harninkontinenz in der der Schwangerschaft zu lindern bzw. vorzubeugen, sollte Beckenbodentraining schon während der Schwangerschaft oder noch besser bereits im Vorfeld der Schwangerschaft durchgeführt werden.

Hilfsmittel für Inkontinenz in und nach der Schwangerschaft

Zusätzlich zum Beckenbodentraining haben sich zur Behandlung von Inkontinenz in und nach der Schwangerschaft auch verschiedene Hilfsmittel sehr gut bewährt. Dazu gehören:

  • Diskrete Inkontinenzeinlagen und -vorlagen, die in den Slip gelegt werden, um kleine Mengen von Harn sicher aufnehmen zu können.
  • Cerclage Pessare zum Verschluss des Muttermundes in der Schwangerschaft  
  • Pessare zur Behandlung von Senkungsbeschwerden (Verlinkung Artikel Blasenschwäche Frauen) in und nach der Schwangerschaft