Belastungsinkontinenz: Ursachen, Symptome und Behandlung

Die Belastungsinkontinenz, früher auch Stressinkontinenz genannt, ist eine Harninkontinenz und die häufigste Inkontinenzform bei Frauen. Der Verschlussmechanismus der Blase ist hier geschwächt, so dass er bei einer zusätzlichen Druckbelastung durch akute körperliche Anstrengung seinen Halt verliert.

Ratgeber Belastungsinkontinenz: Ursachen, Symptome und Behandlung

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Anja Lang Medizinjournalistin

Die Belastungsinkontinenz, früher auch Stressinkontinenz genannt, ist eine Harninkontinenz und die häufigste Inkontinenzform bei Frauen. Der Verschlussmechanismus der Blase ist hier geschwächt, so dass er bei einer zusätzlichen Druckbelastung durch akute körperliche Anstrengung seinen Halt verliert.

Wie äußert sich Stressinkontinenz? 

Eine plötzliche physikalische Drucksteigerung auf den Unterbauch, wie sie z.B. beim Husten, Niesen, Lachen, Hüpfen, etc. entsteht, führt dann zum ungewollten Harnverlust. Je nach Intensität der Symptome wird die Stressinkontinenz in drei Schweregrade eingeteilt.

Inkontinenz Grad 1 

Starke, akute Druckbelastungen im Bauchraum, wie Lachen, Niesen, Husten, schweres Heben, Hüpfen, etc. führen zum ungewollten Urinverlust.

Inkontinenz Grad 2

Mäßige Druckbelastungen, wie Treppensteigen, Aufstehen, Hinsetzen, Laufen, etc., verursachen einen unkontrollierten Austritt von Urin.

Inkontinenz Grad 3

Bereits bei einer sehr schwachen Druckbelastung, z.B. beim Umdrehen im Bett sowie auch ohne Druckbelastung, etwa beim Liegen, kommt es zum ungewollten Harnverlust.

Ursachen von Stressinkontinenz

Ursache der Stressinkontinenz ist ein gestörter Schließmechanismus der Blase. Neben dem inneren und äußeren Schließmuskel der Blase, ist an der Schließkraft der Blase entscheidend auch die Beckenbodenmuskulatur beteiligt. Der Beckenboden umschließt die Körperöffnungen des Unterleibs, trägt die Bauchorgane und hält sie in der richtigen Position. Ist der Beckenboden geschwächt, etwa durch

  • Schwangerschaft
  • Geburt
  • Hormonelle Umstellung (Wechseljahre)
  • Prostataoperation
  • Übergewicht
  • Schweres Tragen
  • Höheres Alter
  • Chronischen Husten
  • Starkes Pressen (Verstopfung)
  • Etc.

verändert sich auch die anatomische Lage der Blase. Sie sinkt ab, wodurch der Blasenschließmuskel seine Haltefunktion nicht mehr optimal ausüben kann. Kommt es dann zu einer zusätzlichen Drucksteigerung im Unterbauch, gibt der Schließmuskel entsprechend nach und Urin geht ungewollt verloren. 

Belastungsinkontinenz bei Frauen

Frauen sind von einer Stressinkontinenz oder Belastungsinkontinenz besonders häufig und leider nicht selten auch schon in jüngeren Jahren betroffen. Das hat mehrere Gründe:

  • Der weibliche Beckenboden ist von insgesamt drei Öffnungen (Scheide, Harnröhre, Enddarm) durchbrochen - bei Männern sind es nur zwei (Harnröhre, Enddarm), wobei die Prostata noch zusätzlich stützt.
  • Das weibliche Bindegewebe ist insgesamt lockerer, als das von Männern.
  • Hormonelle Schwankungen (Zyklus, Schwangerschaft, Wechseljahre) schwächen die Gewebespannung Beckenbodens zusätzlich.
  • Vor allem aber stellt jede Schwangerschaft eine extreme Belastung der Beckenbodenmuskulatur dar, da neben den Bauchorganen, auch das Kind getragen werden muss.
  • Insbesondere die vaginale Geburt ist für den Beckenboden traumatisch, da beim Pressen enormer Druck auf die Muskulatur ausgeübt wird und es zu Verletzungen im Intimbereich kommen kann, die nachhaltige Schäden hinterlassen.
  • Die Wechseljahre mit Absinken des schützenden Östrogen-Hormone sorgen dann im mittleren bis späteren Alter oft noch zusätzlich für eine signifikante Schwächung des Beckenbodens.
  • Häufig kommt es in dieser Zeit auch zu einer starken Gewichtszunahme mit Übergewicht, was sich ebenfalls negativ auf den Beckenboden auswirkt und eine Belastungsinkontinenz fördert.

Belastungsinkontinenz bei Männern

Die Stressinkontinenz oder Belastungsinkontinenz ist auch bei Männern ein Thema und gilt als zweithäufigste Inkontinenzform nach der Dranginkontinenz. Anders als Frauen, sind Männer von einer Belastungsinkontinenz aber meist erst im mittleren bis höheren Alter betroffen, wenn die Prostata aufgrund einer gutartigen oder auch bösartigen Vergrößerung entfernt werden muss. Die Belastungsinkontinenz ist dann eine gefürchtete Nebenwirkung der Prostata-Operation.

  • Denn zum einen fehlt dem männlichen Beckenboden durch das Entfernen der Drüse die zusätzliche Stützkraft der Prostata.
  • Außerdem müssen durch die anatomische Lage der Prostata zwangsläufig meist auch Teile der Harnröhre und des Schließmuskels mit entfernt werden.
  • Und drittens kann es – auch bei größter Sorgfalt - zu Verletzungen im Nervengewebe kommen, die den Schließmechanismus der Blase zusätzlich schwächen.

Therapie von Belastungsinkontinenz

Die Therapie der Belastungsinkontinenz richtet sich vor allem nach den jeweiligen Ursachen. Bei einer leichten bis mittleren Stressinkontinenz reichen fast immer konservative Maßnahmen aus, die Kontinenz der Blase wiederherzustellen bzw. diese deutlich zu verbessern. Darunter versteht man alle nicht-chirurgischen Therapien, wie Medikamente, physikalische Maßnahmen oder auch Lebensstiländerungen, die dazu beitragen die Erkrankung zu heilen bzw. die Symptome zu lindern.

Was kann man gegen Stressinkontinenz/ Belastungsinkontinenz tun?
  • Regelmäßiges Beckenbodentraining gilt als wichtigste Therapiemethode. Insbesondere nach einer Geburt oder auch nach einer Prostata-Operation bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen in der Regel einen professionellen Übungs-Kurs
  • Wichtig ist die Beckenbodengymnastik anschließend weiter durchzuführen und die gelernten Übungen möglichst dauerhaft in den Alltag zu integrieren.
  • Die Biofeedbackmethode unterstützt das Beckenbodentraining, indem es unbewusste Muskelbewegungen durch optische oder akustische Signale beim An- und Entspannen der Beckenbodenmuskulatur sicht- bzw. hörbar macht. Dazu bringt der Patient oder die Patientin die Sensoren des Biofeedback-Gerätes – nach einer fachlichen Einweisung - im Beckenbodenbereich an und beginnt mit den Beckenbodenübungen. Dauer und Stärke der Muskelbewegungen werden dann entsprechend am Bildschirm visuell und/oder entsprechend akustisch angezeigt. Insbesondere Betroffene, die ihren Beckenboden nicht ausreichend spüren können und sich deshalb schwer tun ihn bewusst anzuspannen, erhalten damit effektive Unterstützung.
  • Bei der Elektrostimulation wird der Beckenboden mit schwachen elektronischen Impulsen passiv gereizt. Diese Methode kommt infrage, wenn der oder die Betroffene den Beckenboden überhaupt nicht spürt und damit auch nicht aktiv anspannen kann. Nach einer Einweisung, kann auch dieses Gerät zuhause angewendet werden. Die Elektrostimulation gilt als Vorstufe zum Biofeedback. Sobald der Beckenboden spürbar ist, sollte zur aktiven Beckenbodenanspannung mit Biofeedback gewechselt werden.
  • Um die Symptome zu lindern, sollte bei Übergewicht außerdem das Gewicht reduziert werden, um den Druck auf den Beckenboden zu verringern.
  • Liegt ein Hormonmangel, z.B. in den Wechseljahren, vor, können lokal angewendete Hormon-Zäpfchen oder -Cremes Linderung verschaffen.
  • Chronischer Husten sollte gezielt behandelt werden, z.B. durch Raucherentwöhnung. Da beim Husten starker Druck auf den Unterbauch ausgeübt wird.
  • Ballaststoffreiche Kost verhindert schädliches Pressen bei Verstopfung.
  • Schweres Tragen (Druck auf den Unterbauch) sollte vermieden werden.

Wie lange dauert eine Belastungsinkontinenz?

Bis der Beckenboden mithilfe von Beckenbodentraining nachhaltig gekräftigt ist, können einige Wochen bis mehrere Monate vergehen. Trotz Behandlung, kann die ursprüngliche Schließkraft der Blase nicht immer komplett hergestellt werden, so dass es auch vorkommt, dass leichte Symptome der Belastungsinkontinenz dauerhaft bestehen bleiben.

Medizinische Hilfsmittel bei Belastungsinkontinenz

Damit Betroffene im Alltag sich trotzdem durchgehend sicher fühlen, stehen zur Behandlung einer Belastungsinkontinenz eine Vielzahl an medizinischen Hilfsmitteln zur Verfügung, die der Arzt verschreiben kann und die von den Krankenkassen in der Regel finanziell bezuschusst werden. 

Dazu gehören:

  • Aufsaugende Hilfsmittel. Das sind spezielle Einlagen, Vorlagen und Windelhosen, die Urin sicher aufnehmen und für eine gewisse speichern können.
  • Ableitende Hilfsmittel sind Medizinprodukte, die abgehenden Urin sicher und diskret auffangen, wie z.B. Kondomurinale für Männer.
  • Stützende Hilfsmittel. Das sind Medizinprodukte, die den Blasenhals anheben und so die Haltekraft des Blasenschließmuskels beim Tragen vorübergehend erhöhen, wie etwa Pessare oder Vaginaltampons.

Die Verordnung kann ganz einfach hier eingereicht werden: https://www.bunzl-healthcare.de/rezepteinreichung 

Ist Stressinkontinenz heilbar?

In den meisten Fällen kann Belastungsinkontinenz bzw. Stressinkontinenz durch gezieltes Beckenbodentraining, gepaart mit entsprechenden Verhaltensmaßnahmen, geheilt oder zumindest deutlich verbessert werden.

In besonders schweren Fällen oder auch, wenn Beckenbodentraining allein nicht zum gewünschten Erfolg führt, kommen auch operative Maßnahmen in Frage, die teilweise ebenfalls erstaunlich gute Erfolgsaussichten bieten:

  • Beim sogenannten Bulking wird ein Gel zu Aufpolsterung direkt in die Harnröhre gespritzt, um die Verschlusskraft im Muskel zu erhöhen.
  • Die TVT Band-Plastik gilt als Standard-Operationsmethode bei Belastungsinkontinenz in Deutschland. Dabei wird ein Kunststoffband chirurgisch über die Scheide unter die Harnröhre platziert, wo es einwächst und dafür sorgt, dass der Schließmuskel wieder besser funktioniert.